Montag, 2. März 2015

Lakschmi und der alte Mann am Baum

Gestern war ein unbeschreiblicher Tag. Nachdem wir das Festival wild und ausgiebig hinter uns gebracht haben, wollten wir von nun an wieder viel mehr Ruhe erleben.
Wir fuhren am Vormittag die 15 Minuten nach Arambol. Wenn man am Strand entlang bis zum nördlichen Ende von Arambol-Beach geht fängt eine Gasse an, die sich Entlang einer steilen Felsküste schlängelt. Auf den 1000m Fußweg finden sich, wie so oft in Goa, etliche Verkaufsstände, Restaurants und Gasthäuser.
In einem der ersten Läden sprach uns ein indisches Mädchen an, welche Steffi's Rücken-Tattoo fesselte. Die 2 Minuten blieben oberflächlich und wir vergaßen nach 10 Sekunden auch schon wieder ihren Namen. Das soll jetzt nicht abwertend klingen, aber man wird hier dauernd in Gespräche gezogen, welche einen im Endeffekt aber auch immer nur zu einem Kauf bewegen sollen. 
Jetzt weiß ich, dass sie Lakschmi heißt und werde ihren Namen bestimmt gut in Erinnerung halten, aber in dem Moment war sie erstmal wieder vergessen.
Wir gingen also die Gasse bis zum Ende der Felsküste weiter und kamen zu einem weiteren Strand, an dem es lediglich 2 Strandcafes mit einigen Strandliegen gab.
Hier entspannten wir uns eine Weile, bis plötzlich Steffi bei ihrem Namen gerufen wurde.
Die junge Inderin kam zu uns und sie war nun mit unzähligen Tüchern behangen. Ab dem späteren Vormittag beginnt ihr nächster Job, denn sie ist auch eine der vielen Strandhändler, die einem Tücher, Schals, Schmuck oder anderen Kleinkram andrehen wollen.
Sie war ausgesprochen clever, sprach sehr gut englisch und so haben wir eine Stunde mit ihr geredet. Ihr Name ist Lakschmi und sie hatte das Glück 10 Jahre auf eine Schule gehen zu dürfen. Das ist für Mädchen hier nicht normal, da auf Bildung bei Mädchen oft nicht soviel Wert gelegt wird. Sie hofft in den nächsten 2-3 Jahren mit ihren ganzen Jobs etwas Geld anzusparen, damit sie dann vielleicht studieren kann. Bei den meisten hätte sich dies nach einer "Bettel-Geschichte" angehört, aber Lakschmi war schon so gebildet, dass ich ihr den Uniweg zutraue.
Allerdings müsse sie dann ihre Familie verlassen, da ihre Eltern hier einen Mann für sie suchen werden und sie dann niemals das College besuchen könne. Soweit schon mal interessante und mutige Gedanken einer 16-jährigen. Sie war ja schon froh, dass sie die Schule überhaupt beenden konnte, denn bis vor kurzem war es noch viel beliebter, die Töchter bereits mit 12-14 zu verheiraten.
Damit ein Vater einen Bräutigam findet, muss er dessen Familie noch Geld zahlen und das zukünftige Einkommen der Braut wird dann auch bei der Familie des Ehemannes abgegeben.
Töchter kosten also nur Geld und daher ist es auch normal, dass sie sehr früh arbeiten müssen um die eigene Familie wenigstens in der Zeit zu unterstützen.
Sie hatte halt Pech, dass sie kein Junge geworden ist, meinte sie. 

Das Gespräch ging länger und wir erzählten uns viel von unseren Kulturen. Als sie wieder los musste zeigte sie noch auf einen kleinen Dschungelpfad. Diesen sollten wir bis zum Ende gehen und uns zu dem alten Mann setzen, der dort wohne.

Ok, Ruhe sollte ja eh von nun an auf unserer Fahne stehen und mit einer Mischung aus Demut und Glück, die wir durch das Gespräch mit Lakschmi erhielten, betraten wir den Urwald.
Auf einem kleinen Trampelpfad, der, kaum breit genug für 2 Personen, sich einem Bach entlang den Berg herauf zog, sahen wir nur ganz selten Menschen. Ein paar russische Urlauber, aber meistens Einheimische, genossen hier und da die Ruhe.
Da wir eigentlich keine Entdeckungstour vor hatten, war unsere Kamera im Resort geblieben, weswegen ich euch die Fotos noch schuldig bleiben muss. 

In diesem Dschungel gibt es einige Hippies, die sich häuslich nieder gelassen haben. Sie haben, abseits des Pfades kleine Siedlungen errichtet, von denen wir aber kaum etwas mitbekamen.
Der Weg ging stetig leicht Bergauf, aber zwischenzeitlich mussten wir schon etwas klettern, von Fels zu Fels über den Bach springen und uns an Bäumen den Abhang hoch ziehen. Menschen wurden immer seltener und man war einfach nur mitten in einem dichten Wald mit fremdartigen Bäumen, Büschen und Tieren.
Nach vielleicht 2 Kilometern Trampelpfad sahen wir wieder ein paar Menschen in den Bäumen sitzen. Aber diesmal war es kein Hippie-Dorf, sondern das Ende des Weges.

An einem riesigen, kunstvoll gewachsenen Baum, saß ein alter, weißhaariger und langbärtiger Mann. Vor ihm war ein kleiner Platz, auf dem ca. 15 Menschen im Kreis mit ihm sitzen können. Einige streunende Hunde lagen herum und der Mann unterhielt sich mit seinen Besuchern. Er ist ein Yogi.

Umso mehr ich hier sehe, wie glücklich man durch sein Leben gehen kann, wenn man nicht ständig irgendwelchen, meist noch von außen eingeredeten, Zielen hinterher rennt, desto mehr wächst in mir das Verlangen, in Deutschland einige Dinge komplett neu zu überdenken und den Mut aufzubringen, grundlegendes zu verändern. 
Lakschmi zeigte uns, dass man schon mal Ketten sprengen muss um glücklich werden zu können.

Die Partys und das Festival waren schon toll, aber die Gespräche und die Ruhe im Dschungel waren das, was wir dringend brauchten.

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